Modellbahner drücken die Schulbank
Eisenbahn Kurier 05/96

Zu Christian Martens' Seite Zu Christian Martens' Seite
Ein Artikel von Christian Martens
Diskussion in der Gruppe Abb.1: Nach fünf Abenden rollen bereits Züge im Werkraum der Schule.
In Rodgau gibt EK-Autor Christian Martens seit dem Wintersemester 1995/96 einen Volkshochschulkurs zum Thema "Modelleisenbahn" von Anfang an". Der folgende Bericht zeigt die Erfahrungen und ersten Ergebnisse eines solchen Kurses.
Als engagierter Modelleisenbahner habe ich natürlich den Wunsch, mich in meinem Hobby mit anderen Modellbahnkollegen auszutauschen. Das sollte sich jedoch nicht nur darauf beschränken, am Stammtisch in geselliger Runde zu fachsimpeln, sondern auch zu zeigen, was man "so drauf hat". Darüber hinaus interessieren mich die Arbeiten anderer Modellbahner. Gemeinsam mit Gleichgesinnten eine Modellbahnlandschaft mit Fahrbetrieb zu gestalten, war mein erklärtes Ziel. Da dies zu Hause wegen der fehlenden Räumlichkeiten nicht zu realisieren ist, mußte nach einer geeigneten Bleibe gesucht werden. Eine Werkstatt mit Holzbebeitungsmaschinen für die Holzunterbauten und einer ausreichenden Zahl an Arbeitsplätzen wäre das geeignetste. Diese Einrichtungen sind unter anderem auch in Schulen vorhanden. Zugang zu den Räumen kann man über die Volkshochschulen erhalten. Im Leiter der Volkshochschule Rodgau fand ich einen meinem Projekt gegenüber aufgeschlossenen Partner. Der Kurs wurde in das nächste VHS-Programm aufgenommen und veröffentlicht. Als Räumlichkeit wurde ein Werkraum der Georg-Büchner-Schule in Jügesheim mit einer ansehnlichen, für unsere Zwecke vollkommen ausreichenden Maschinenausstattung, zur Verfügung gestellt.
Zehn Unterrichtsabende mit je 2 x 45 Minuten waren vorgegeben. Da diese Zeit sehr knapp bemessen war, wurde die Unterrichtszeit in Absprache mit der Hausmeisterin der Schule auf zweieinhalb Stunden verlängert. In dieser Zeit ließ sich schon einiges an Bastelarbeiten schaffen. Dennoch waren "Hausaufgaben" für jeden Teilnehmer erforderlich.
Die genaue Zahl und die Zusammensetzung der Kursteilnehmer konnte ich erst am ersten Abend feststellen. Der jüngste Teilnehmer, ein elfjähriger Schüler, war mit seinem Vater gekommen, der älteste war bereits 67 Jahren alt. So wie alle Altersgruppen waren auch alle Modellbahninteressengruppen vertreten. Die für mich spannende Frage, wer seine Eisenbahn in welchem System betreibt, wurde eindeutig beantwortet: 50% "Märklinisten", 30% N-Bahner und der Rest Anhänger des Zweileiter-Gleichstrom-Systems.
Erfahrungen im Anlagenbau waren bei allen Teilnehmern vorhanden, jedoch bestand sehr großes Interesse an dem "Wie" der realistischen Landschaftsgestaltung: Wie muß der Untergrund aussehen, wie funktioniert die Wasser-Weißleim-Methode beim Schottern, wie stellt man selbst Büsche und Bäume her, usw.?
Mein Ziel war, alle Fragen anhand eines Anlagenstückes, das auch transportabel sein sollte, zu beantworten. Ich bot den Teilnehmern an, eine Modellbahn in Modultechnik aufzubauen. Basis dafür waren die Normen des "Freundeskreises Europäischer Modellbahner" (FREMO) e.V. Durch die relativ weite Verbreitung dieser Normen ist sichergestellt, daß die Kursteilnehmer später einmal unabhängig von der Volkshochschulgruppe mit ihren Modulen weiterhin etwas anfangen können, sie z.B. an Module anderer FREMO-Mitglieder anzuschließen.
Die letzten Zweifel bei dem einen oder anderen Kursteilnehmer, ob denn nun das Bauen eines Moduls nach einer Norm, die nicht mit dem zu Hause gesammelten Material zusammen paßt, für ihn das Richtige sei, wurden bei einem gemeinsamen Besuch des FREMO-Regionaltreffens in Gelnhausen zerstreut. Dort wurde die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten in vollem Umfang gezeigt. Man erhielt einen Vorgeschmack auf das, was im VHS-Kurs entstehen könnte.
Abb. 2: Modul Straßenbrücke von M. Brehm.
Die gewählten Motive auf den Modulen decken thematisch ein breites Spektrum ab. Mancher entschied sich für eine einfache Wiesen- oder Waldlandschaft. Aber auch aufwendigere Module entstanden. Die Abmessungen der Module richteten sich nach dem Stauraum im jeweils vorhandenen PKW.
Bereits beim sechsten Treffen waren fast alle mit dem Verlegen der Schienen und der elektrischen Anschlüsse fertig. Der erste Zug konnte über sieben von zehn Modulen, die elektrisch und mechanisch miteinander verbunden waren, rollen. Dabei stellte sich heraus, daß trotz genauestem Arbeiten und ständiger Überprüfung aller Maße und Winkel doch nicht alles wie geplant paßte. Lage, Höhe und Winkligkeit der Schienen zum Modulende ließen sich vor dem endgültigen Schottern noch korrigieren. Für Nacharbeiten am Modulkasten selbst war es zu spät: Es tat sich von Modul zu Modul hier und da ein bis zu einem Millimeter breiter Spalt auf, der nicht zu schließen war. Wurde die Reihenfolge der Module geändert, paßte es wieder. Betriebliche Probleme mit Loks und Wagen gab es aber nicht.
Nach dem Schottern, das für alle mit einheitlichem Material aus dem Lieferprogramm von Rainershagener Naturals geschah, konnte man mit dem Begrünen der Landschaft beginnen. Das Erstaunen war groß, als jeder Kursteilnehmer sah, wie verhältnismäßig einfach und schnell man zu erfolgreichen Ergebnissen kommen konnte. Plötzlich entstand bei dem einen oder anderen das Verlangen, weitere Materialien auszuprobieren und zu kombinieren. Wie kann man den Übergang hier noch harmonischer, natürlicher gestalten? Welches Gras kann man verwenden, was gibt es überhaupt alles auf dem Markt? Kann ich das selbst nicht viel besser oder billiger machen? Es kam zu einem enormen Motivationsschub. Am vorletzten Abend dieses Semesters hatte jeder neues, anderes Material mitgebracht. Zusammen oder in Grüppchen diskutierte und probierte man miteinander Einsatz und Variationsmöglichkeiten. Die Gespräche wurden nach jedem Kursabend in einer Kneipe fortgesetzt und vertieft.
Abb. 3: Das Ergebnis nach acht Kursabenden und vielen zusätzlichen Hausaufgaben kann sich sehen lassen. Weitere Details werden im neuen Kurs ergänzt.
Am Ende des Kurses waren sich alle einig "Wir wollen weitermachen!" In den "Ferien" setze die Gruppe ihre Treffen Woche für Woche im Gasthaus "Zur Eisenbahn" fort. Die auf den Modulen noch fehlenden Details wie Kilometersteine, Telegraphenmasten, Zäune usw. müssen noch ergänzt werden. Für den neuen Kurs liegen schon die ersten Zeichnungen eines Bahnhof-Moduls vor. Auch ein Endmodul mit einer Gleisharfe zum Abstellen mehrerer Zuggarnituren und der Möglichkeit zum Umsetzen der Lokomotiven befindet sich in der Planung. Die Ergebnisse der Arbeiten der Kursteilnehmer haben mir gezeigt, daß der gewählte Weg, über einen VHS-Kurs Modelleisenbahnbau zu betreiben, der richtige war. Fast alle Teilnehmer des ersten Kurses haben sich auch wieder für den zweiten, der seit Ende Februar läuft, angemeldet. Wie man sieht, muß es nicht immer ein Verein mit eigenen Räumen sein - und jeder Teilnehmer ist voll motiviert. C. MARTENS

Zum Seitenanfang Zum Seitenanfang   Home | Neu bei uns | Aktionen | Module | Mitglieder | Presse | Service | Diskussion © RMC e.V.